• Comicstipendium

    Hauptpreis der Deutsch­schweizer Städte.
    Bern, Luzern, St. Gallen, Winterthur und Zürich vergaben zum dritten Mal die Comic-Stipendien

     

    Eingeladen waren Autorinnen und Autoren, die klassische oder experimentelle Formen des Mediums Comic berücksichtigen. Die Vergabe fand am 21. April 2016 im Rahmen von Fumetto Comix-Festival Luzern statt.

    Mit dem Hauptstipendium werden erfahrene Zeichnerinnen und Zeichner ausgezeichnet, welche über einen mehrjährigen Leistungs- und Qualitätsausweis im Bereich Comic verfügen und innovative Projekte in Planung haben.

    Mit dem Förderstipendium werden junge und aufstrebende Zeichnerinnen und Zeichner ausgezeichnet, welche an innovativen Projekten arbeiten.

    Mitglieder der Jury 2016 waren:
    Anna Sommer, Comiczeichnerin Zürich
    Lorenzo Mattoti, Comiczeichner Italien
    Nadine Wietlisbach, Direktorin/Kuratorin PhotoforumPasquArt Biel
    Urs Hangartner, Medienschaffender Luzern

    • Worte der Jury

      Lika Nüssli aus St.Gallen ist Absolventin der Hochschule Luzern wo sie Illustration studierte. Über die Jahre ist auch ein vielfältiges Comic-Œuvre entstanden. Sie erkundet unterschiedliche Formen des erzählenden Zeichnens, nebst Comics illustrativ, installativ und performativ. Man kennt ihre Zeichnungen aus zahlreichen Publikationen – Jugendbuch, Magazine, Bilderbücher oder SJW-Hefte.

      Ihr Comic-Schaffen ist eine stetige Suche nach einem eigenen Ausdruck bei der Verbindung von Bild und Text, um gleichsam auf experimentelle Weise ein Universum zu kreieren, in das Persönliches, Soziales und Politisches hineinspielen.

      Lika Nüssli hat für das Comic-Stipendium ein Projekt mit dem Arbeitstitel «Vergiss Dich Nicht» eingereicht. Thematischer Anstoss dazu ist ein biografischer Bezug in der nächsten Verwandtschaft: Menschen im Pflegeheim für Demenzkranke. In einem Mix von Vorgefundenem und Erfundenem, von Dokumentarischem und Fiktivem, auf realer Grundlage mit imaginierten Elementen zeichnet sie Geschichten und porträtiert sie Menschen – ein eigentlicher «Migrationskosmos» entsteht, gebildet von Bewohnerinnen und Bewohnern sowie von Pflegepersonal im Heim.

      Es ist ein ernstes und dringliches Thema, das Lika Nüssli in ihrer Arbeit umzusetzen vorhat. Sie tut es auch hier in einer im Strich feinen und leichten Art, in einer eigenständigen, poetischen Bildsprache – in einem Projekt, das, wie die ersten vorliegenden Skizzen und Arbeitsproben zeigen, mit der gebotenen Sensibilität und Subtilität ans Werk geht.

      Jury-Mitglied Lorenzo Mattotti hat uns gefragt, ob mit dem Stipendium auch wirklich – wir haben französisch gesprochen – «l’obligation morale et pratique» verbunden sei, also die moralische und auch konkrete Verpflichtung, das eingereichte Projekt zu verwirklichen. Wir haben es alle auch so verstanden: Wir verbinden mit der Auszeichnung des Stipendiums die Hoffnung und den Wunsch, dass das Projekt «Vergiss Dich Nicht» realisiert wird.

      Herzliche Gratulation!

      Urs Hangartner Luzern 21.4.2016

       
    • Die besonderen Möglichkeiten des Medium Comic

      Bei meinen Besuchen in einem Pflegeheim für demenzkranke Menschen habe ich begonnen, die Bewohnerinnen zu zeichnen. Sie sind wunderschön, haben vom Leben gezeichnete unglaubliche Körper, verrückte Verformungen und die Gespräche sind herrlich absurd. Anfangs ist es mir schwer gefallen in dieser Umgebung lange zu bleiben. Durch das Zeichnen habe ich begonnen, mit meiner eignen Schaffenssform wie selbstverständlich da zu sein, mich am Ort ein zu lassen. Mit der Zeit lernte ich die BewohnerInnen und die PflegerInnen kennen. Ich habe angefangen, die komischen Gespräche der alten Leute zu notieren - sie unterhalten mich durch ihre collageartigen Gesprächsfetzen wie zeitgenössisches Theater. Ich mache verschiedene Nationalitäten unter diesem Dach aus. Es gibt zum Beispiel einen Tisch Italienerinnen. Wie und warum sind sie in die Schweiz gelangt? Was haben sie erlebt? Ein Mann aus Deutschland mit Schauspielerstimme, eine Frau aus Strassburg mit Eulenaugen und pergamentenen Wangen, eine Appenzeller Bäuerin mit amputiertem Bein usw. Das Pflegepersonal ist ebenso international. Frauen aus verschiedenen Oststaaten, Asiatinnen, Schweizerinnen, einen Italiener. Einen Eritreer in der Küche. Ob er geflüchtet ist und wenn ja, wie? Einen Kurden dichte ich dazu, weil mich berührt, was in der Türkei momentan passiert. Mir wird bewusst was für ein Migrationskosmos sich in Altenheimen bildet - das finde ich höchst spannend! Schicksale treffen hier aufeinander, die geografisch und kulturell weit auseinander liegen, und doch ganz viel miteinander zu tun haben.