• Das Zeichnungs Studio

    «Komm! Setz dich hin, erzähl mir von dir, davon male ich dir auf deinen Arm.«

    Aktion vor Ort und Video

     

    Mit Stift Stuhl Kamera und einem offnen Ohr habe ich mich im Frauenpavillon im Stadtpark von St.Gallen eingerichtet. Spontan oder auf Anmeldung zeichnete ich auf viele Arm, womit sich diese in den Geschichtenreigen einer endlosen Projektion vor Ort einreihte.

     

    Linie für Linie, Arm für Arm

    Die St.Galler Künstlerin Lika Nüssli zeichnet für alle im Frauenpavillon

    Fast leer ist es im Frauenpavillon. Nur ein handgeschriebenes Statement steht auf den tiefroten Wänden und drei Wörter hinter der Bar. Wo ist denn hier die Ausstellung?

    Sie entsteht Stück für Stück, Arm für Arm, Linie für Linie und wandert hinaus in die Stadt.

    Lika Nüssli begeistert einmal mehr mit einem innovativen Zeichnungsprojekt. Ob sie einen Raum der Hauptpost in eine vierdimensionale Zeichnungshölle verwandelt – die Zeit zählt mit – oder für die Kunsthallen Toggenburg in einem Hotelzimmer von Zimmerwänden und Decke die Geister der früheren Übernachtungsgäste erscheinen lässt, bei Lika Nüssli bleibt die Zeichnung nicht stehen, schon gar nicht auf dem Papier.

    Sie entwickelt sich, überschreitet Grenzen, bewegt sich mühelos zwischen Kunst, Comic und Illustration, umgeht leichthändig gattungsabhängige Wertzuschreibungen und Kategorisierungen. In der aktuelle Ausstellung ist sie dem Tattoo verwandt und doch ganz anders: Die Haut ist Träger einer Zeichnung. Doch statt Bildchen aus Musterkatalogen oder immergleichen Tribals gibt es eine originale Zeichnung aus dem Stift Lika Nüsslis, individuell, unwiederholbar und nicht wasserfest.

    Auch das Ambiente ist besonders: Im Frauenpavillon steht ein bequemer alter Sessel, beinahe ein Thron, dort sind die Ausstellungsgäste eingeladen, Platz zu nehmen und der Künstlerin eine Geschichte zu erzählen. Im Dialog und inspiriert von den persönlichen Berichten der Besucherinnen und Besucher entstehen Arm für Arm weitere Teilchen aus Lika Nüsslis Zeichnungskosmos. Tiere tummeln sich da und Menschen, unterhalten sich per Sprechblase, lassen die Gedanken fliegen. Kein Ärmchen zu dünn, keine Haut zu alt, kein Haar zu viel (auch behaarte Männerarme sind willkommen), sogar Muttermale werden mühelos ins Motiv integriert.

    Und dann spaziert die Zeichnung mit ihrem Träger oder ihrer Trägerin in die Stadt hinaus. Die Ausstellung wandert, breitet sich aus, die Zeichnungen bekommen ein neues Zuhause. Zu schade, dass sie die erste Dusche nicht überleben. Da hilft nur entweder Sack drüber oder Deo statt Duschen. Das ist der Preis für ein Nüssli-Original.

    Kristin Schmidt 19. August 2014 auf Saiten online